• einkorn@feddit.org
    link
    fedilink
    arrow-up
    37
    ·
    3 days ago

    Wie kränkend muss es für die marxistische Linke im 20. Jahrhundert gewesen sein, dass fast alle Arbeiter zu Angestellten promoviert wurden – und sich selbst der Rest nach dem Zweiten Weltkrieg nichts sehnlicher wünschte, als einer „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“ (Helmut Schelsky) zuzugehören, die Sieben-Stunden-Tage, dreizehn Monatsgehälter, sechs Wochen bezahlten Urlaub und eine weitgehend kostenlose Gesundheitsversorgung genießt!

    Also, ich weiß ja, die WiWo ist nicht bekannt als linkes Medium, aber es muss doch sogar einem Dieter Schnaas auffallen, dass diese Sachen nicht von der Herzensgüte der Firmeneigentümer kommen, sondern das Ergbeniss von kollektiver Verhandlung von Gewerkschaften und linker Gesetzgebung ist?!

    • sobanto@feddit.org
      link
      fedilink
      arrow-up
      12
      ·
      3 days ago

      Ich bin mal der Advocatus Diaboli:

      Man kann es auch so sehen dass das in einem kapitalistischen System erreicht wurde. Außerdem sind kürzerer Arbeitszeiten, Urlaub usw. nicht nur ein Gewinn der Gewerkschaft, auch für die Unternehmen gibt es Vorteile durch entspanntere, motivierter sprich produktiver Menschen die dadurch die geringere Arbeitszeit ausgleichen und weniger Zeit in der Firma verbringen und damit Kosten in Strom Heizung usw. verursachen. Im Endeffekt kann das, je nach Produktivitätsschub unterm Strich sogar billiger sein vorher, wahrscheinlich aber billiger als das verlangte Geld für die alte Zeit mit alter Produktivität.

      • einkorn@feddit.org
        link
        fedilink
        arrow-up
        21
        ·
        3 days ago

        Diese weichen Faktoren sind für Unternehmen unerheblich. Sonst hätten wir längst Sachen wie die 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich, was erwiesenermaßen auch die Produktivität fördert.

        Die Geschichte zeigt, dass diese Art von Veränderungen nicht aus dem System heraus kommt, sondern hart erkämpft werden muss. Die Menschen in den riesigen Webereien zu Beginn der Industrialisierung hätten auch produktiver sein können, wenn mehr auf Arbeitsschutz geachtet worden wäre. Solange es allerdings eine schier endlose Menge an humanen Ressourcen (ich liebe diesen Begriff) gibt, hat ein Unternehmen keinen Anreiz damit verantwortungsvoll umzugehen, außer es wird gezwungen.

    • plyth@feddit.org
      link
      fedilink
      Deutsch
      arrow-up
      7
      ·
      3 days ago

      Der Satz davor, es ist Einhegung und nicht
      Herzensgüte.

      Weil Karl Marx und Engels das Elend der Arbeiter nicht nur beschreiben und skandalisieren, sondern für ihre revolutionären Ziele auch ausbeuten wollten, fehlte ihnen (erst recht ihren Apologeten) der Sinn für die evolutionären Entwicklungen des Kapitalismus und seiner sozialpolitischen Einhegung:

      • einkorn@feddit.org
        link
        fedilink
        arrow-up
        8
        ·
        3 days ago

        Na klar, aber diese Einhegung kann nur stattfinden, weil es eine linke Bewegung in die andere Richtung gibt. Ohne die wäre der Kapitalismus nicht unter Zugzwang.

        • plyth@feddit.org
          link
          fedilink
          Deutsch
          arrow-up
          7
          arrow-down
          1
          ·
          3 days ago

          Es gibt zwei linke Bewegungen, eine demokratische und eine revolutionäre. Die demokratische denkt, dass sie sich die Errungenschaften erkämpft hat während sie gewährt wurden, um die Revolution unattraktiv zu machen.

        • Quittenbrot@feddit.org
          link
          fedilink
          arrow-up
          6
          ·
          3 days ago

          Ohne die wäre der Kapitalismus nicht unter Zugzwang.

          Ohne sie hätten wir heute wohl tatsächlich Kapitalismus. Denn es ist ja genau der Ausgleich der unterschiedlichen Interessen, der unsere soziale Marktwirtschaft vom Kapitalismus unterschiedet, der seine Wurzeln auch im Druck durch linke Bewegungen hat.

  • it_depends_man@lemmy.world
    link
    fedilink
    arrow-up
    8
    ·
    3 days ago

    Tatsächlich ein guter Artikel!

    Überraschend! Die entsprechenden Problemfelder werden gut benannt und zwar nicht ein oder zwei, sondern so ziemlich alle die ich auch sehen würde.